Route 7 - Auf den Spuren des Poznaner Jugendstils

Der Jugendstil ist als Widerstand gegen fabrikmäßige und klischeehafte Dekorationen entstanden, die die Stadtbürgerhäuser schmückten. Er ist durch das Fehlen von Symmetrie und die Verzierung durch Pflanzenmotive charakterisiert - Blumen und Blätter, die zu verschiedenen, sehr komplizierten Systemen verarbeitet wurden. Die Formen des Jugendstils erhielten auch Geländer, Tore, Glasfenster oder Polychromie. Beim Jugendstil von Poznań kann man den Einfluß  der Berliner Umgebung beobachten.

 Die meisten Jugendstil-Bürgerhäuser in Poznań entstanden im 19. Jahrhundert. Schon am Ende des 19. Jahrhunderts hat die preußische Verwaltung die Entscheidung getroffen, die Stadt in westlicher Richtung auszubauen und man hat angefangen, das neue Straßennetz in den angeschlossenen Stadtvierteln zu planen, was eine gute Möglichkeit zum Handeln für die Architekten war. Zeitgleich mit dem Abriss der die Stadt umgebenden Befestigung änderte man die Bauregeln , so dass man die festen Gebäude auf dem Vorgelände errichten konnte.

Unseren Rundgang beginnen wir im Stadtviertel Jeżyce auf der Roosevelt-Straße. Unter der Nummer 4-7 befindet sich der Komplex der Villenbürgerhäuser, der von der Architektengesellschaft von Hermann Böhmer und Paul Preul für die Wohnungsbaugenossenschaft "Deutscher Beamten-Wohnungsbau-Verein" (Spółdzielnia Mieszkaniowa Urzędników Niemieckich) entworfen wurde. Sehr charakteristisch sind die geschmiedeten Gebäudeumzäunungen bei der Roosevelt-Straße 5 und das übergroße Flachrelief der nackten Frau, das den Balkon an der Fassade des Gebäudes Nr. 4 stützt. Die Grundstücke der Genossenschaft wurden mit separaten Hinterhäusern bebaut, sie erhielten die einfacheren Wohnungen, deren Treppenhäuser oft mit den Glasfenstern verziert wurden. Die Bürgerhäuser in der Zacisze-Straße 3 und 4A können als Beispiele solcher Lösungen dienen.


Wir nähern uns der Kreuzung mit der Dąbrowskiego-Straße und biegen nach rechts ab. Nach ein paar Schritten passieren wir rechts das Gebäude des Neuen Theaters von T. Łomnicki, das im Jahr 1906 erbaut und auch von Böhmer und Preul entworfen wurde. Der Entwurf der Fassade bezieht sich auf den für das deutsche Gebiet typischen Jugendstil mit den geometrischen Formen, verschiedenen Farben und Strukturen.

Wir gehen weiter geradeaus bis zur Kreuzung mit der Mickiewicza-Straße, hier biegen wir nach links ab. Auf beiden Seiten der Straße kann man die Beispiele von anderen Villenbürgerhäusern sehen, die einst von für reiche Einwohner gebauten Vorgärten umgeben waren. Die asymmetrischen Gebäudefassaden wurden um Balkons und Erker bereichert und die Jugendstilornamente konzentrieren sich auf Fensterrahmen und Giebel.


Wir gelangen zur Kreuzung mit der Słowackiego-Straße und  biegen hier nach rechts ab. Diese Straße wurde bis zur Kreuzung mit der Kochanowski-Straße mit den Villenbürgerhäusern und weiter mit einer Reihe von Bürgerhäusern bebaut. Beachtenswert ist das Bürgerhaus Nr. 20, das nach dem Ersten Weltkrieg der Universität in Poznań übergeben wurde, und das freistehende Bürgerhaus Nr. 22, aktuell der Sitz des Finanzamtes Poznań Jeżyce und des Stadtamtes von Poznań. Sie wurden beide von der Gesellschaft Lindner & Roskam entworfen. Im weiteren Verlauf der Straße ist es lohnenswert, das Bürgerhaus Nr. 34 anzusehen, das vor 1906 von Paul Pitt für den Bankdirektor Jan Kosicki entworfen wurde. Wir kommen zur Prus-Straße und biegen hier nach rechts ab. Dann biegen wir nach links  zum Jeżycki-Markt ab. Dieser bald nach der Eingemeindung von Jeżyce in die Stadt entstandene Handelsplatz wurde sehr schnell mit den prachtvollen Bürgerhäusern bebaut. Die interessantesten von ihnen sind vier Häuser, die miteinander verbunden sind, und die 1904 an der südlichen Frontfassade des Markts für den Weinhändler K. Wendland errichtet wurden. Beachtenswert ist das Bürgerhaus Nr. 1, das sich an der Ecke von Kraszewski-Straße befindet, wir biegen in diese Straße ab.


Diese Straße ist mit einer Reihe von Bürgerhäusern bebaut. Wir nähern uns dem prachtvollen Bürgerhaus Nr. 19, danach biegen wir nach rechts in die Jackowska-Straße ab. Wir gehen näher an das Bürgerhaus Nr. 25 heran, das von Paul Pitt entworfen wurde - es ist heute sehr beschädigt, sorgt aber für einen großen Eindruck durch reiche Stuckverzierungen. Unter der Nummer 39 können wir das prachtvolle Haus von Oskar Hoffmann, dessen Werkstatt und Wohnung im Erdgeschoss waren, finden.

Wir kommen zur Kreuzung mit der Kraszewski-Straße zurück und biegen nach rechts ab. Wir gehen durch die Bukowska-Straße und geradeaus durch die Szylinga-Straße bis zur Grunwaldzka-Straße. Vor unseren Augen erscheint das von Paul Pitt für seinen Geschäftspartner Boleslaw Richelieu, einen Poznańer Stuckateur, entworfene prachtvolle Bürgerhaus Nr. 20a. Seine Werkstatt hat viele Fassadendekorationen mit fantastischen Ungeheuern. Wir gehen geradeaus in  Richtung der Matejko-Straße, die als eine der Hauptstraßen des neuen Weststadtteils fungierte und für  Luxuswohnungen  bestimmt war. Wir gehen an dem von P. Pitt entworfenen Bürgerhäusern Nr. 3-7 vorbei und gegenüber gibt es die konkurrierende eindrucksvolle Fassade des Bürgerhauses Nr. 67. Das ist das Eigenheim des Architekten Anton Künzel, der in der Kartusche (Zierrahmen) an der Fassade u.a. Attribute seiner Arbeit - Lot, Winkel und Zirkel - gesetzt hat.


Wir kommen zum sogenannten Johow-Gelände, einem Wohnungskomplex, der nach dem Urbanisierungsplan von Max Johow realisiert wurde. Johow war einer der Hauptarchitekten von Poznań am Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Bürgerhäuser bilden einen geschlossenen Gebäudekomplex ohne Hinterhäuser. Sie waren von Vorgärten umgeben, und außer dem hohen Standard der Wohnungen imponierten auch reichverzierte Hausflure und verschiedene Gebäudefassaden. Rechts gehen wir an den Bürgerhäusern Nr. 61-58, 55 und 54 vorbei, die von Emil Asmus entworfen wurden, der auch die Pläne der meisten Bürgerhäusern auf diesem Gebiet entworfen hat. Diese Bürgerhäuser sind durch feine Fassadendekoration, prachtvolle Portale und betonte Fensterrahmung charakterisiert. Andere Projekte von Asmus sehen wir in den  Straßen Chełmońskiego und Grottgera. Das Bürgerhaus Nr. 56 wurde von Max Biele entworfen. Trotz der Zerstörung eines Teils der Fassade macht es  Eindruck mit einem der wunderbarsten  Portal- und Eingangstürensembles. Eine weitere interessante Fassade in diesem Komplex ist die des Bürgerhauses Nr. 51, sie wurde direkt durch die Wiener Secession inspiriert.


Das Eckbürgerhaus Nr. 50, das Haus von Max Johow, das 1906 erbaut wurde, enthält heute unter anderem die Abteilung für wirtschaftliche Tätigkeit des Stadtamtes von Poznań. Es lohnt sich einzutreten und den mit Reliefs und Flachreliefs verzierten Hausflur und die Glasfenster anzuschauen. Wir biegen nach rechts in die Wyspiański-Straße ab. Es lohnt sich hier einen Blick auf das Bürgerhaus Nr. 10 zu werfen. Der Hausflur ist mit seinen Glasfenstern und Jugendstilkronleuchtern fast völlig erhalten. Wir biegen nach rechts in die Chełmoński-Straße ab. Die Nr. 22 ist das Bürgerhaus von Karl Roskam, mit den Stuckverzierungen, die von Artur Wagner angefertigt wurden.

Wir kommen zur Wyspiański-Straße zurück und gehen über den dreieckigen Platz hinüber und  weiter durch die Matejko-Straße. Rechts sehen wir die letzten Beispiele für den Jugendstil auf unserem Rundgang. Darunter sind am interessentesten die Bürgerhäuser Nr. 47, entworfen von P. Pitt, und Nr. 46 von einem unbekanntem Architekten. Das Bürgerhaus Nr. 46, dessen Dekorationen der bereits erwähnte Bolesław Richelieu angefertigt hat, lenkt den Blick auf Balkongeländer und wunderbare Loggiagitter  und den Eingang schützt ein Märchendrache.


Beispiele für Jugendstil abseits des Rundgangs

 In anderen Stadtteilen, sowohl im Zentrum, als auch in den 1900 eingemeindeten Peripherien von Poznań, Wilda oder Łazarz, entstanden die Jugendstilformen der Dekoration nur in manchen, neu errichteten Gebäuden. Beispiele kann man u.a. in der Św.-Marcina-Straße 69, Garbary-Straße 52, Szewska-Straße 19, Żydowska-Straße 31, der Szyperska-Straße 1, Szkolna-Straße 5, Kilińskiego-Straße sowie der Maleckiego-Straße bewundern.

Św.-Marcin-Straße 69

Eine der Perlen des Posener Jugendstils, von Oskar Hoffmann entworfen. Dieses bei der Gwarna-Straße stehende fünfetagige Bürgerhaus mit seiner Monumental- und Symmetriefassade, mit den Details aus Sandstein und geschmiedeten Elementen der Balkongeländer, zeichnet sich durch seine perfekte Ausführung und seine hohe künstlerische Qualität aus.

Dieser Artikel hat mehr als eine Seite. Wählen Sie unter folgenden Seite, weiter zu lesen